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Ausgabe #6

„Am Ende gehen alle traurig ins Bett –
und das muss ja nicht sein.“
Ein Gespräch mit David Schalko

  • Musik: 'Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens' EINKLANG
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Ö

sterreich. Warum gerade Österreich? Österreich hat einen der innovativsten Fernsehmacher aufzuweisen, und ich versteh immer noch nicht ganz genau, warum er gerade aus diesem Land kommen muss. Denn David Schalko als einen der genialsten Köpfe in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft zu beschreiben, dürfte nicht übertrieben sein. In den letzten fünf Jahren hat er sieben Fernsehkonzepte realisiert, die so aussergewöhnlich sind, dass sie anderenorts noch nicht einmal gedacht werden können.

Eine Late Night Sendung mit 15 starr an Nylonfäden hängenden Kameras, die dadurch automatisch zum Bühnenbild werden; eine Mockumentary, die davon ausgeht, dass Österreich Europameister

im Fussball geworden ist und so tut als würde sie dies alles im Nachhinein mit Interviews und Spielsequenzen dokumentieren; eine fast halbstündige Erzählsendung, die die visuellen Bilder lediglich als Begleitmedium ansieht, diese dann aber in extrem assoziativer Manier dazuschneidet - dies sind nur einige, kurz angerissene Ideen. Und sie kommen alle aus einem Hirn, das das Fernsehmachen nicht als die einzig glücklich machende Beschäftigung ansieht, sondern wie nebenbei und um Abstand zu gewinnen auch noch Erzählungen und Romane veröffentlicht.

Geschützt im Biotop des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat der ORF Rückgrat genug, David Schalko die Realisation seiner Ideen zu ermöglichen und begann 2002 mit der Sendung ohne [1/4]

Namen (SoN). Ausgehend von einem essayistischen Text wurden einzelne generelle Themen behandelt, die bei den Autoren schon vorher auf dem Notizzettel standen und abgehandelt werden wollten. Zum Offtext wurden assoziative Archivbilder geschnitten und sogenanntes nutzloses Wissen als Textinserts eingeblendet - die totale Überforderung des Zuschauers.

Beginnend mit dem schönen Satz: „Ich habe da ein kleines Problem”, wurde dem Zuschauer eine Form untergeschoben, die es sonst kaum im Fernsehen gibt: die Form des Essays. Intelligente Geschwätzigkeit vermischt mit grossartigem Humor über die wichtigen und alltäglichen, über die grossen und nichtigen Dinge dieser Welt. Die Form des Essays im Jugendfernsehen - konsens-

und mainstreamfähig ist das wohl nicht - grossartig sehr wohl. Und das dürfte dann auch der Grund sein, warum es gerade Österreich sein muss, um jemanden wie Schalko hervorzubringen. Etwas abseits vom Betrieb, in einem Land, das noch nicht einmal halb so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen und kaum nennenswerte Privatsender vorzuweisen hat, gibt es kein Moloch der ARD Anstalten - Vetternwirtschaft wahrscheinlich genau so - aber der Programmdirektor muss nicht erst die nächste Direktorenkonferenz abwarten, ob er etwas absegnen darf oder nicht.

Schalko hat die SoN als Entrée zum ORF Fernsehen genutzt, um mit einem Team, das sich vor allem auch aus Radiomitarbeitern des FM4 Umfeldes speist, die Unterhaltungsschiene der [2/4]

Donnerstag Nacht auszubauen. Er realisiert dort etwas, von dem andere träumen: ein alternatives Fernsehen, das andere Wege zu gehen versucht, auch mal auf Abwegen landen kann, aber immer einen neuen Ansatz verfolgt. Alles andere wäre für ihn schlichtweg zu langweilig.
Denn auch wenn er altbekannte Formate produziert, geht er sie anders an. Die Late Night Sendung Willkommen Österreich begann in den ersten zehn Ausgaben mit einem Angstkonzept. Behandelt werden sollte in jeder Ausgabe eine andere Phobieart. Willkommen Österreich war vorher eine „Vorabendillustrierte”, was wohl so etwas wie Leute heute oder Brisant im deutschen Fernsehen entsprechen dürfte. Die Vorabendillustrierte wurde eingestellt und die Idee war dann, das bereits vorhandene On Air Design und das

Studio Set zu übernehmen, um es in eine andere Form zu giessen. Vorabendkitsch neu aufgegossen und einmal durch den Mixer gejagt. Das Angstkonzept funktionierte jedoch nicht, weil es nicht radikal genug war. Die Sendung wurde aber nicht eingestellt, sondern umkonzipiert und funktioniert jetzt besser als zuvor.

Auch wenn sie damit letztlich als gewöhnliche Late Night Show einzuordnen sein mag, ist sie lustiger, besser und interessanter als alles, was im Moment an schlechten Witzen bei Schmidt, Ruf und Consorten im deutschen Fernsehen über die Einschaltquoten gequält wird.

Wenn Schalko so weiter macht, wird er eines Tages der [3/4]

 

Frank Elstner Österreichs sein - ich hoffe, dass er vorher noch einmal Asyl von einem deutschen Sender angeboten bekommt, damit seine Arbeit auch hierzulande endlich gesehen werden kann.

Woran er gerade arbeitet, wollte er uns vor laufender Kamera nicht erzählen, aber es wird wieder etwas ganz anderes sein, als alles, was er vorher gemacht hat. Rock on!